Simon und Käthe Bendorf, eine typische bäuerliche Familie jüdischen Glaubens aus Ober-Ramstadt
Simon und Käthe Bendorf waren Ober-Ramstädter Bürger jüdischen Glaubens. Simon Bendorf wurde 1863 in Ober-Ramstadt geboren und Käthe 1884. Als „Samuel“ geboren, wurde er allerdings immer nur „Simon“ genannt. Simon hatte mit seiner Frau Käthe zusammen eine kleine Landwirtschaft mit einigen kleinen Äckern. Simon war Bauer sowie Vieh- und Pferdehändler. Die beiden hatten ein Haus in der Hohlgasse 4, das heute allerdings nicht mehr steht. 1904 eröffnete er dort eine kleine Metzgerei. Simon Bendorf war Mitglied in verschiedenen Vereinen, unter anderem auch im TV 1877 Ober-Ramstadt. Simon hatte auch im kaiserlichen Militär gedient. Seine erste Frau, Emilie Goldschmidt, starb 1909. Käthe war seine zweite Frau. Aus erster Ehe stammen die drei Kinder, Marcus, Willi und Arthur. Ihr drittes Kind, Arthur, verstarb allerdings schon im ersten Lebensjahr.
Ihr Enkelkind Harry Bendorf, der Sohn von Marcus, hat in seinem Zeitzeugenbericht viel über seine Kindheit in Ober-Ramstadt erzählt. Regelmäßig hatte er doch in den Ferien seine Großeltern im Sommer besucht. Harrys Vater war ein erfolgreicher Kaufmann und seine Eltern lebten in Berlin. Harry Bendorf liebte das Dorfleben auf dem Bauernhof und konnte als Kind bei seinen Besuchen nichts von Antisemitismus spüren.
Harry konnte sich auch noch genau daran erinnern als Truppen durch Ober-Ramstadt marschierten und der Quartiermeister Simon fragte, ob er ein paar Soldaten bei ihm in der Scheune nächtigen lassen würde, Simon lehnte zwar höflich ab – bot allerdings an, ihre Pferde zu hüten und zu versorgen. Das schien das Problem zu lösen. Simon war eben stolz auf seine militärische Tradition.
Nachbarschaftliche Hilfe in der NS-Zeit führt zu Gestapo Haft
Dokumente aus der NS-Zeit zeigen, dass Simon auch nach 1933 noch ein sehr gutes Verhältnis zu vielen seiner Nachbarn hatte. Ein Denunziant der Gestapo berichtete nach der Pogromnacht 1938 über einen Bauern, der immer noch freundschaftlichen Kontakt zu jüdischen Bürgern, besonders aber zu Simon, hätte. Der hilfsbereite Bauer half Simon auch auf seinem Acker. Deswegen wurde er sogar kurzzeitig von der Gestapo in Haft genommen. Provokativ, so der Denunziant, sei der Bauer mit seinen beiden jüdischen Nachbarn auf dem Pferdewagen sogar am Marktplatz vorbeigefahren, wo die versammelte „Volksgemeinschaft“ Ober-Ramstadts gerade eine Führerrede im Radio gemeinsam hörte.
Deportation und Ermordung – was wird aus der Familie von Simon und Käthe?
Ihre Söhne und Enkel flohen aus Deutschland und begannen ein neues Leben in den USA, doch Simon und Käthe Bendorf konnten nicht fliehen. Sie wurden 1942 nach Theresienstadt deportiert. Simon wurde dort schon einen Monat später am 20.10.1942 ermordet. Käthe wurde noch nach Auschwitz transportiert, wo sie am 23.01.1943 ermordet wurde.
„Warum schaust du weg Bub, ich hab dir doch nichts getan“. Käthe Bendorf bei ihrer Deportation 1942 zu einem damals jungen Ober-Ramstädter Zeitzeugen.
Was wurde aus den Söhnen?
Marcus Bendorf, geb. 1898. Marcus ist der erste Sohn von Simon. Marcus zog 1917 wie sehr viele andere Ober-Ramstädter in den ersten Weltkrieg. Dort erlebten sie das Grauen des modernen Krieges, den Marcus glücklich überlebte. Er heiratet und bekommt einen Sohn. Harry Bendorf ist der Enkel von Simon und Käthe Bendorf. Nach der Reichskristallnacht konnte Marcus Bendorf mit seinem Sohn Harry Bendorf 1938 nach einer abenteuerlichen Flucht in die USA fliehen, wo Harry bis heute in Los Angeles lebt. Harry Bendorf machte in den USA eine militärische Karriere und stieg bis zum Brigadegeneral auf.
Willi Bendorf, geb. 1906. Willi ist der zweite Sohn von Simon. Er wurde 1906 geboren. Willi wurde 1934, noch vor den Blutschutzgesetzen wegen „Rassenschande“ in Schutzhaft genommen, da er ein Liebesverhältnis zu einem nichtjüdischen Ober-Ramstädter Mädchen hatte. Später heiratet er dann seine Cousine Bertha Bendorf, mit der er die Tochter Ellen bekommt. Willi Bendorf, seine Frau und seine Tochter konnten 1937 in die USA fliehen. Dort bekamen sie eine zweite Tochter, Doris. 1961 stirbt Willi in den USA.
Arthur 1899 Simons dritter Sohn war Arthur. Er starb allerdings schon in seinem ersten Lebensjahr. Der Tod des Babys war ein durchaus verbreitetes Schicksal und zeugt von den damaligen schwierigen Lebensverhältnissen. Die Kindersterblichkeit war aufgrund der mangelnden medizinischen Versorgung und der Hygiene noch recht hoch in dieser Zeit.
(Lk Geschichte 2013)