Moses, Julie und Gertrud Bendorf
Das neue Kurzwarengeschäft in der Hammergasse im Jahre 1927 – die Lebensgrundlage der Bendorfs
Julie und Trudy Bendorf vor ihrem kleinen Laden in der Hammergasse. Im Vordergrund sieht man die kleine Brücke über die Modau, die die Familie für ihre Kunden gebaut hat hatte.
Moses, Julie und Gertrud Bendorf – glückliche Zeiten in den 20er Jahren
Trudy wird als Gertrud Therese Bendorf am 12.11.1920 in Ober-Ramstadt geboren. Mit ihren Eltern Julie Bendorf, geb. Kahn und Moses erlebt sie glückliche Zeiten in den 20er Jahren. Bis 1933 Ausgrenzung, Entrechtung und Verfolgung beginnt. Bis 1936 verlieren sie durch die Arisierung ihr Geschäft und ihre wirtschaftliche Existenz. Die Brüder von Julie Kahn eröffnen 1918 ein Geschäft in der Bahnhofstr. Hier wurde Gertrud Therese Bendorf 1920 geboren. Moses Bendorf – er war sogar Offizier in der kaiserlichen Armee im ersten Weltkrieg – heiratete Julie Kahn 1919. Sie übernehmen ein Textil- und Kurzwarengeschäft in der Bahnhofstraße. 1927 zieht die Familie in das Haus Hammergasse 2, was sie selbst gebaut haben – auch eine Brücke haben sie von einen Architekten bauen lassen, um einen direkten Eingang zum Geschäft zu haben.
Gertrud als Weihnachtsengel im Krippenspiel
Gertrud schildert ihre Familie und ihre Kindheit als sehr glücklich. Sie besucht den evangelischen Kindergarten und spielt den Weihnachtsengel im Krippenspiel. Die Familie Kahn war sehr angesehen in Ober-Ramstadt. Moses war Mitglied des Gesangvereins Concordia bis 1933 die Nazis kamen. Nach der Machtübertragung griffen viele Gesetze gegen Juden und jüdische Geschäfte wurden immer stärker eingeschränkt. Nur drei Freundinnen, Käthe Ackermann, Emma Sachse und Christiane Meese halten dennoch weiterhin zu Trudy. 1936 sind sie gezwungen ihre Wohnung und ihr Geschäft für sehr wenig Geld an eine Familie zu vermieten, die nach Schilderungen von Trudy überzeugte Nazis waren. Das war der wirtschaftliche Niedergang. Vor allem ihre Mutter litt sehr stark unter der Ausgrenzung und der Entrechtung. In der Folgezeit erlitt Julie Bendorf mehrere Schlaganfälle. Sie kann nicht verstehen was passiert, die Propaganda, die Schikanen und dass man sie wirtschaftlich ruiniert. Sie kann es nicht begreifen, sind doch zwei ihrer Brüder im ersten Weltkrieg für Deutschland gestorben und ein weiterer Bruder überlebte nur schwer verletzt und blieb taub.
Flucht ins Ungewisse und Endlösung
Gertrud erlebt noch die „Kristallnach“ 1938 in Ober-Ramstadt, sie ist das einzige Kind von Moses und Julie. Für die Familie war das eine schreckliche Erfahrung – Gertrude hat auch noch Geburtstag am 12. November…, er steht unter sehr schlechten Vorzeichen, sie wird 18 Jahre alt. Das war für die Eltern das letzte Signal: Sie nehmen ihr letztes Geld und schicken im Januar 1939 ihre Tochter ganz alleine in die USA, es reicht nur für sie. Im Oktober 1939 stirbt ihre Mutter in Mannheim bei Verwandten, Gertrud ist sich sicher, dass die tatkräftige Geschäftsfrau durch die soziale Ausgrenzung, die Entrechtung und die wirtschaftliche Ruinierung durch die erzwungene Arisierung schwer herzkrank geworden ist. Moses Bendorf wird 1942 deportiert und stirbt in einem der Vernichtungslager im Bereich Lublin-Piaski in Polen, zusammen mit seinem Bruder Joseph und seiner Frau Dina Bendorf. Die Familie von Julis Schwester, Johanna Stahl, geb. Kahn und Berthold Stahl, werden mit ihren drei Söhnen 1942 in Auschwitz ermordet.
Erinnern Handeln Begegnen
Die Schüler der GCLS haben die Adresse von Trudy Isenberg in Baltimore herausfinden können und einen regen Briefwechsel geführt, der die Schüler sehr beeindruckt hat. Auch ihre besondere Freundschaft zu Käthe Ackermann, Emma Sachse und Christine Meese, die über die NS Zeit hinausging hat die Schüler beeindruckt. Am 15 Mai 2012 wurden für sie und ihre Familie Stolpersteine verlegt. Trudy wird den Feierlichkeiten beiwohnen und wir haben die Gelegenheit sie, ihre Tochter und vielleicht ihre Enkelkinder kennenzulernen.
Anmerkung: Der obere Text ist leicht bearbeitet und stammt von 2012. Seit damals blieb Trudy und ihre Familie mit den Schülerinnen und Schülern der GCLS eng verbunden. Ein intensiver Briefwechsel mit Trudy aber auch ihren Kindern entwickelte sich bis zu ihrem Tod mit fast 99 Jahren, am 3. November 2019. Dennoch endete damit die Verbindung ihrer Kinder und Enkelkinder nach Ober-Ramstadt bis heute nicht.