Ein Wächter für Miteinander und Menschenrechte in Ober-Ramstadt:
Das Graffito für Julius Bendorf
Schülerinnen und Schüler der AG-Erinnerungskultur gestalteten in der Projektwoche 2022 ein Street-Art Kunstwerk zum Leben des Ober-Ramstädter Ehrenbürgers. Das Graffito an der Stützmauer am Hessischen Hof zieht jeden Tag die Blicke von vielen Menschen auf sich. Nicht nur wegen seiner Größe und Farbigkeit.
Die Bilder erschließen die wichtigsten Lebensabschnitte des 1915 geborenen und 2016 verstorbenen Auschwitzüberlebenden. Das Porträt eines alten Mannes, die Auschwitznummer und sein Leben als junger erfolgreicher Sportler in den 20er und 30er Jahren zeigt das von den Jugendlichen konzipierte Kunstwerk. Auf zwei Metern Höhe und 13 Meter Länge entwickelt sich die Szene ins Heute hinein: In Deutsch, Polnisch, Portugiesisch, Ukrainisch, Kroatisch und Farsi mahnt Julius Bendorf zu Miteinander, Vielfalt und Toleranz. Die Sprachen sind die Sprachen der Jugendlichen, die an das Graffito gemacht haben. Ober-Ramstadt ist bunt – und die Message ist klar.
Die Jugendlichen der GCLS haben lange diskutiert, welche Form der Erinnerungskultur für heute angemessen ist und Menschen anspricht. Berührt und beeindruckt waren sie von der besonderen Lebensgeschichte von Julius Bendorf, dessen Schicksal beispielhaft für das vieler Juden in der Nazizeit gewesen ist. Zwar hat er das Lager Auschwitz und sogar die letzten Todesmärsche der SS überlebt, aber sein Bruder Manfred und seine gesamte Familie verliert er im Holocaust.
Er merkt schnell nach der Befreiung, dass eine Rückkehr in seinen ehemaligen Heimatort für ihn unmöglich war. Zu viel war geschehen. 1947 verlässt er Deutschland und versucht sich in den USA ein neues Leben aufzubauen, es war ein sehr schwerer Neubeginn.
Erst 2010 werden wieder neue Kontakte zu seiner alten Heimat geknüpft: Jugendliche der GCLS verlegen vor seinem ehemaligen elterlichen Bauernhof in der Darmstädter Straße 22 Stolpersteine zur Erinnerung an seine Familie. Julius, seine beiden Töchter und seine Enkelkinder sind aus Los Angeles nur für die Verlegung angereist. Sie haben eine Woche lang viel Zeit gemeinsam mit den Jugendlichen verbracht. Julius hat immer den Dialog mit jungen Leuten gesucht und sich für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt. 2011 hat die Stadt Ober-Ramstadt ihm die Ehrenbürgerwürde verliehen.
Vielfalt, Toleranz, Miteinander, diese Werte sollen heute gelten und müssen täglich geschützt werden. Das ist die Botschaft der Jugendlichen, deren Namen auch an der Wand verewigt sind.
Die Anwohner reagierten sehr positiv, jetzt werde die „Stadt der Farben ihrem Namen erst gerecht“, und Ober-Ramstadt dürfe ruhig noch bunter werden.
Die Jugendlichen der GCLS haben noch lange nicht genug von ihrer Arbeit, sie wollen die Malaktion weiterführen, denn: Es gibt noch viele Freiflächen in der Stadt, die eine erinnerungskulturelle Botschaft gut vertragen könnten.
Projektleitung: Anne Walz, Lea Kimmerle und Harald Höflein. Die künstlerische Begleitung übernahm Jörn Heilmann. Die Stadt Ober-Ramstadt half bei der technischen Vorbereitung der Stützwand.