Wilhelm Leuschner - Ein Leben für die Demokratie

„Mama geht nirgends hin, weil sie denkt du kommst“

Auf dem Briefumschlag: Die KZ-Wärter streichen mit Rot den Namen Leuschners aus und ergänzen: "Schutzhäftling"

Auf dem Briefumschlag: Die KZ-Wärter streichen mit Rot den Namen Leuschners aus und ergänzen: „Schutzhäftling“

 

„Mama geht nirgends hin, weil sie denkt du kommst“

 Im Dezember 1933 schreibt Käthe ihrem Vater einen Brief in das KZ-Lichtenburg bei Torgau, in das Leuschner von den Nazis verschleppt wurde.

Von den vielen Briefen habe ich diesen ausgewählt. Er zeigt die tagtägliche Hoffnung seiner Familie. Die Tochter beschreibt die psychische Anspannung ihrer Mutter, die „nirgendwo hin geht“, weil sie immer hofft, dass der Vater unvermutet und plötzlich doch wieder frei gelassen werden könnte.

Der Brief zeigt ebenfalls wie ungewöhnlich innig, das Verhältnis zwischen Käthe und ihrem Vater war. Sie sorgt sich um sein Wohlbefinden und hofft sogar, dass er seine geliebten Zeitungen und Bücher hat. Mich hat das bewegt. Denn obwohl sie bestimmt ahnte, wie schlecht die allgemeinen Verhältnisse in den Konzentrationslagern waren, weiß sie wie wichtig ihm das ist.

Die Hoffnung und das Warten

Leuschners Frau Elisabeth hat immer auf seine Rückkehr gewartet, diese Erwartungshaltung bemerkt man aber auch bei seiner Tochter. Es ist für sie fast schon selbstverständlich, dass ihr Vater zurückkommen wird. Liest man ihren hoffungsvollen Brief jedoch heute, hat man als Leser (ich zumindest) ein sehr bedrückendes Gefühl im Magen, da man weiß, wie die Geschichte am Ende ausgeht. Auch wenn der Brief sehr einfach und kurz ist, ist er vielleicht auch ein Beispiel für die Hoffnungen von sehr vielen Familien in der NS-Zeit und deren Emotionen. Die Hoffnung, dass ihre Angehörigen doch wieder zurückkommen.

Vom Minister zum „Schutzhäftling“

Der Umschlag des Briefes ist ebenfalls sehr aussagekräftig, da Leuschners Kinder ihren Papa als „Minister a. d.“ adressieren und die KZ-Wärter dies durchgestrichen haben, um ihn und seine Persönlichkeit zu brechen und zu zeigen, dass das alles nicht mehr zählt. Er ist für sie nur der „Schutzhäftling“. Damit muss er mit allem rechnen, Rücksicht gibt es nicht.

Die Willkür

Vergleicht man das mit der heutigen Zeit, merkt man, wie dankbar wir eigentlich für unser heutiges Leben sein müssen. Der Gedanke, seinen Vater nie wieder sehen zu können und trotz allem, nie die Hoffnung zu verlieren, würde wahrscheinlich nicht nur mich wahnsinnig machen. Das Emotionalste dabei ist meiner Meinung nach, dass seine Familie wusste, dass er nichts getan hatte was eine Haft irgendwie rechtfertigen würde. Reine politische Willkür und Gewalt.

Ein Denkzettel für die Freiheit

Allgemein gibt der Brief uns allen eine neue Perspektive auf die Zeit, die wir zum Glück nicht mitbekommen haben. Er verpasst uns allen einen Denkzettel, da man merkt wie selbstverständlich uns die politischen Freiheiten und die Zusammenkunft mit Familie oder Freunden heute sind.  Nazar Sevim