Zwischen den vielen persönlichen Dingen in Leuschners Nachlass habe ich eine Fleischkarte gefunden. Erst erschien sie unscheinbar oder gar unbedeutend, aber ich fand sie auf Anhieb interessant.
Doch zuerst einmal was ist eine Fleischkarte überhaupt? Das Ziel war es, dass der Staat das zu Kriegszeiten und Hungersnöten begrenzte Nahrungsmittel Fleisch gerecht und kontrolliert zu verteilen versucht. Man wollte dafür sorgen, dass auch die arme Bevölkerung an ein Mindestmaß an Fleisch kommen konnte. Ein Stück Wurst kostete also z.B. 5 Reichsmark und dazu brauchte man 70 Märkchen.
Hunger und Alltag im ersten Weltkrieg
Auf Leuschner Karte steht “nur gültig bis Juli 1916”, sie ist damit mehr als 100 Jahre alt und stammt aus der Zeit des ersten Weltkrieges. An der sogenannten “Heimatfront” herrschte im Ersten Weltkrieg eine enorme Ressourcenknappheit und der Hunger war Alltag für viele Menschen. Er kam aus armen Verhältnissen selbst und wusste was Mangel ist. Fleisch war für ihn auch ein Luxusgut. Die Märkchen für Fett, Brot, Fleisch und andere Lebensmittel sollten so die Versorgung der Bevölkerung garantieren. Man konnte damals eben nicht jeden Tag Fleisch essen und der Mangel an Lebensmitteln war Alltag.
Verzicht erscheint heute undenkbar
Auf etwas verzichten scheint heute undenkbar, denn alles scheint heute unbegrenzt und in Massen vorhanden zu sein. Keiner kann sich das heute mehr vorstellen.
Warum eine bayrische Fleischkarte?
Leuschner selbst war ab 1916 Soldat in einem Hessischen Regiment. Die Fleischkarte, die er aufgehoben hat war aus der Stadt Bayreuth, damals Königreich Bayern, wo Leuschners Eltern und sein Bruder Karl noch lebten. Karl fällt 1916 im Krieg in einer bayrischen Kompanie. Eigentlich war die Karte schon längst wertlos. Warum hat er sie nicht weggeworfen? Vielleicht hat Leuschner die Karte aufgehoben, um an seine Familie und seinen gefallenen Bruder zu erinnern. Ich gehe davon aus, dass Leuschner selbst diese Karteaufgehoben hat, um vielleicht an diese Zeit zugedenken
Wenn ich die Karte betrachte stell ich mir vor, wie es damals ablief: Eine große Schlange von Menschen vor einer Metzgerei und dazu durfte man sich nur so viel kaufen, wie es die Anzahl Märchen zuließ. Ich bin froh das Leuschner und seine Familie dieses Kärtchen aufgehoben hat, denn für mich war sie mein Favorit. Sie verdeutlicht mir selbst nochmal den 1. Weltkrieg und die Zustände zu dieser Zeit. Man hört immer davon, aber wenn man sowas dann wirklich mal sieht, dann ist es etwas ganz anderes.
Maxin Hölscher