Wilhelm Leuschner, ein Leben für die Demokratie

Wilhelm Leuschner – eine Reise in die Gefangenschaft 1933

Fahrkarten ins Gefängnis. Trotz Warnungen seines Freundes Carlo Mierendorff kehrt Leuschner aus Genf zurück. Leuschner nimmt im Auftrag von Dr. Ley, dem Führer der NS-Organisation „Deutschen Arbeitsfront“, an den Sitzungen des IAA in Genf teil. Da Leuschner nicht für die internationale Anerkennung des NS-Führung und der DAF warb, wird er nach der Rückkehr in Deutschland direkt verhaftet.

Viele von uns kennen es, wenn wir nach einem Konzert oder einem besonderen Museumsbesuch die Eintrittskarten behalten und als Andenken an eine meist schöne oder besondere Zeit irgendwo an die Wand hängen. Fahrkarten für eine Zugreise sind da in unserer Zeit wahrscheinlich eher weniger besonders.

Wilhelm Leuschner hat es gemacht. Warum waren hat er sich die Zugtickets für eine Reise nach Genf in der Schweiz und zurück aufgehoben. Vor circa 90 Jahren war eine Zugreise in Ausland etwas teures und ganz Besonderes. Zumal 1933, nach dem Hitler Reichskanzler war. Die sorgsam aufgehobenen Tickets scheinen für ihn persönlich sehr bedeutsam gewesen zu sein.

Leuschner fährt nach Genf und berichtet dort über die Gewalttaten Hitlers

Januar 1933 wird Leuschner Vorstandsmitglied des ADGB (Verband der freien Gewerkschaften)  in Berlin und dessen Vertreter im Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes (IAA).

Nach den letzten Wahlen am 5. März 1933 wurde Wilhelm Leuschner als Hessischer Innenminister von den Nazis aus dem Amt geworfen und kurzzeitig verhaftet. Die NS-Führung setzte ihn unter Druck um in Genf der Versammlungen des Internationalen Arbeitsamts beizuwohnen. Dort sollte er das neue NS-Regime verteidigen und erreichen, dass die nationalsozialistische Deutsche Arbeitsfront international als Gewerkschaft anerkannt wird.

Leuschner war jedoch bekannt als Leiter der freien Gewerkschaften, welche zu diesem Zeitpunkt durch die NS-Gleichschaltung schon aufgelöst worden waren. Anstatt in Genf für die Anerkennung der Deutschen Arbeitsfront zu sorgen, erzählte Leuschner, was wirklich in Deutschland passierte.

Bunte Fahrkarten aus der Schweiz

Für 41 Reichsmark und 30 Pfennig von Heidelberg über Basel nach Genf. Auf der Rückfahrt wird er in Freiburg verhaftet: Bunte Fahrkarten ins Gefängnis.

Das besondere an den Fahrkarten war, dass sowohl die Fahrkarte für die Hinfahrt von Leuschner aufgehoben wurde, als auch die Rückfahrkarte. Da er sie jeweils einzeln gekauft hatte, hätte er eventuell mit dem Gedanken spielen können in Basel zu bleiben um selbst in Sicherheit zu bleiben. Er wusste, dass er verhaftet wird, denn er wurde von seinem Freund Carlo Mierendorff per Telegramm gewarnt.

Er entschied sich trotzdem dafür zurück nach Deutschland zu fahren. Er wusste, dass sein Auftreten in Genf nicht den Forderungen der Nazis entsprach und er sein Leben riskierte mit der Rückfahrt in Hitlers Diktatur. Am Bahnhof in Freiburg wird er durch die Gestapo abgefangen und verbrachte über ein Jahr lang in verschiedenen Gefängnissen und Konzentrationslagern.

Ein Stein im Getriebe der NS-Diktatur sein – trotz großer Gefahr

Die Karten, die für uns ganz normale Fahrkarten aus den 1930gern sein mögen, waren für Leuschner eine Fahrt in die Gefangenschaft. Eine brutale Gefangenschaft, zu der man nicht wusste, wann sie endete, ob sie endete und ob man sie überleben konnte. Leuschner opferte seine eigene Freiheit, Sicherheit und körperliche Unversehrtheit bewusst, um den Nazis einen Stein in das Getriebe der Diktatur zu legen, sei er noch so klein.

Caroline Rotthaupt und Lena Jovic