Wilhelm Leuschner, ein Leben für die Demokratie

1933: SICHERES FLUCHTLAND TÜRKEI – LEUSCHNERS BRIEFWECHSEL MIT GEFLOHENEN DARMSTÄDTER THEATERREGISSEUREN

Postkarten von der Flucht: Carl Ebert aus Istanbul (Foto: Nasser Amini)


1943: Postkarte von Car Ebert. Zu sehen ist das gerade neu eröffnete Kulturhistorische Museum

Ankara 1943 – Wilhelm Leuschner und der Generalintendant des Hessischen Landestheaters Carl Ebert

„Lieber Wilhelm […] „unzählige Male haben wir an dich und die Deinen gedacht und wir hoffen, dass auch deine Gedanken manchmal bei uns waren.“ […] In unveränderlicher Treue und Freundschaft, dein Carl Ebert.“ (Ankara, Demirtebe 31.12.1943)     

Wilhelm Leuschner war Gewerkschaftler und Sozialdemokrat. Als ausgebildeter Holzbildhauer hatte er selbst einen sehr starken Bezug zur Kunst. Das Theater, für das er als Innenminister und Mitglied im Theaterausschuss verantwortlich war, war ihm besonders wichtig. Nach dem Kaiserreich war wollte er ein modernes, engagiertes und demokratisches Theater fördern. Es sollte für alle Bürger da sein, auch für die ärmere Bevölkerung. Zu den Regisseuren und Schauspielern hatte er eine enge Beziehung.

Leuschner hatte hunderte von Briefkontakte zu bekannten Persönlichkeiten aus seiner Zeit. Wir haben uns seine Kontakte zu Gustav Hartung und Carl Ebert angeschaut, die als engagierte Regisseure und Demokraten 1933 vor den Nazis  ihr Leben retten mussten.

Ebert schreibt Wilhelm auf sehr freundschaftliche Weise, wie sehr er mit ihm verbunden sei und wie er ihn doch vermisse. Er macht sich große Gedanken über Leuschners Sicherheit in Deutschland.

Die Türkei als Fluchtland in der NS-Zeit

Die demokratische Türkei diente in den Jahren des Nationalsozialismus zahlreichen deutschen Wissenschaftlern,  Künstlern und Politikern, darunter auch vielen Juden als Fluchtort. Hier fanden sie Schutz vor der Verfolgung. Sie stellten jedoch nur einen Teil der auslandsdeutschen Gemeinde in der Türkei dar, die auch nach 1933 ein Abbild der politisch gespaltenen deutschen Gesellschaft blieb.

Denn die türkische Regierung suchte bereits seit Mitte der 1920er-Jahre Hilfe bei deutschen Experten zu Modernisierung ihres Landes, unabhängig von parteipolitischen Werten.

Gedanken

Carl Ebert wirkte mit seinen Briefen so, als würde er versuchen Leuschner aus Deutschland raus holen zu wollen. Denn klar war es zu erkennen, dass die beiden ziemlich gut miteinander befreundet waren und dass Ebert sich um die Sicherheit seines Freundes sorgt. Mich hat überrascht, dass die Türkei damals ein sicheres Fluchtland vor den Nazis gewesen ist. Die alten Bilder aus der Türkei und die Briefe aus aller Welt – zeitlich und räumlich weit entfernt – haben mich beeindruckt.  Hüseyin Üstün, Hüseyin Kaya